„Heasd Brate geh ma‘ Fitinn“: Ein Erlebnisbericht

Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass es Dinge in meinem Leben geben wird, die ich nicht gerne tun werde, aber eben tun MUSS. Sport war da ganz oben auf meiner Liste. Besonders, da ich der unsportlichste Mensch auf der Welt bin. Glaubt mir, das ist absolut nicht gelogen, hatte ich mir doch in der Volksschule beim Rolle-vorwärts lernen das Schulterblatt geprellt. Ein traumatisches Erlebnis, welches mich bis heute noch verfolgt.

2015 wagte ich jedoch ein verrücktes Selbstexperiment und meldete mich tatsächlich für ein Gratis-Monat im Fitnesscenter meiner Stadt an. Trotz meines Traumas konnte ich es kaum erwarten, fit und sexy zu werden. Doch obwohl ich zu Beginn vor lauter Motivation strotzte, war der Zauber schon bald verflogen.

In der ersten Woche bin ich dreimal in der Muckibude gewesen, hatte mich mit einigen Pensionisten auf den Gerätezirkel geschwungen und schon nach zwei Minuten begonnen zu schwitzen. Ich fragte mich, ob das für meine damaligen 22 Jahre normal war, fühlte regelmäßig meinen Puls und erinnerte mich an meine zwei Erste-Hilfe-Kurse zurück.

Verstauchte Knöchel mit Flashbacks

Der Horror begann erst richtig als ich realisierte, dass mich fremde Leute tatsächlich beim Sport sehen konnten. Ein paar Grannys zum Beispiel, die mich vorwurfsvoll mit Blicken aufspießten, weil ich anscheinend mal wieder ein Gerät falsch benützte. Oder sie meine orange-pinken Shorts als einen eindeutigen Hilfeschrei auffassten. Ich fühlte mich daraufhin immer unwohler und wurde regelmäßig von sämtlichen Flashblacks meines verpfuschten Purzelbaums gequält.

Nach zwei Wochen gab ich auf, da ich dem mentalen Druck weiterhin nicht mehr standhalten konnte. Allein die Tatsache, dass ich mit einem neuen durchtrainierten Körper in Kombination mit meinem unglaublich verwerflichen Humor die Männerwelt total in Rage gebracht hätte, wollte ich definitiv nicht auf mich nehmen. Ich kontaktierte meinen Trainer und erzählte ihm, dass wir kein Endgespräch bräuchten, um meine sportlichen Erfolge zu besprechen. Abgesehen davon, dass ich:

  1. Anstatt fünf Kilo abzunehmen zwei zugenommen hatte und
  2. mir nach meinem letzten Training auf dem Weg zum Auto meinen Knöchel verstaucht hatte,

war die Sache für mich erledigt. Ich schmiss wortwörtlich das Handtuch.

Der Weg einer Kriegerin

Die darauffolgenden Jahre verliefen ruhig. Hier und da konnte ich mich dazu überreden joggen zu gehen. Während ich mir total sporty und elegant vorkam, wurde mir schnell klar, dass ich wie ein Pinguin auf Heroin herumlief. Zusätzlich war ich dauernd aus der Puste, weil ich alle Lieder meiner Spotify-Run-Playlist mitsang. Ein unüberwindbarer Teufelskreis.

Doch Anfang des Jahres kam mir ein erneuter Geistesblitz, der mich wieder über die Türschwelle eines Fitnesscenters treten ließ. Nur diesmal ging ich nicht alleine, nein, ich hatte meinen sportlichen Freund E. mit. Als mentale und körperliche Stütze quasi. Er erklärte sich bereit, mir alles zu zeigen und mir dabei zu helfen die Liebe zum Sport zu finden. Außerdem hatte das Fitinn ein Neujahrsangebot – sonst hätte ich meinen Arsch und noch wichtiger mein Geld eh nicht dorthin verlegt.

Das Problem hierbei war, dass E. mich noch nicht gut genug kannte. Er wusste also nicht, dass ich meine Entscheidungen in Bezug auf unangenehme Dinge sehr oft wechsle. Eigentlich genauso oft wie Leonardo DiCaprio seine Modelfreundinnen. Meine unausstehlichen Launen und meine Ja- mal Nein-Argumente zum Fitnesscenter haben E. in den Wahnsinn getrieben. Außerdem war ich oft genug, vor der ultimativen Entscheidung lieber Schluss zu machen, als mit ihm ins Fitinn zu gehen.

Nach ewigem Hin und Her bin ich daraufhin tatsächlich in die Goldschmiede aller Instagram-Stars und -Bitches eingetreten. Als ich dann im Studio stand und wieder meine beklemmenden Angstzustände bekam, hätte ich mich am liebsten sofort aus lauter Scham mit einer Langhantel stranguliert. Gleichzeitig fing ich innerlich an zu lachen – als ob ich jemals eine Langhantel heben würde.

Was zur Hölle mach ich hier?!

Nachdem mich sämtliche Mädels bereits in der Umkleide sau deppat angestarrt hatten, wollte ich schon wieder schreiend rauslaufen. Ich überlegte mir sämtliche Ausreden, um mir die Tragödie und Peinlichkeiten vor E. zu ersparen, doch mehr als die Tatsache, dass meine Turnschuhe drückten, fiel mir nicht ein.

Ich betrachtete meine Füße und überlegte mir, ob es möglich war, genau an so einer ungewöhnlichen Körperstelle fett zu werden. Obwohl ich zu keiner eindeutigen Antwort kam, wusste ich zumindest, dass ein Heulanfall die letzte Möglichkeit war mich vorm‘ Sport zu drücken.

Während E. gelangweilt im Flur auf mich wartete, hatte ich mich endlich dazu überwunden aus der Umkleide rauszukommen. Nachdem er mich fragte, ob ich bereit sei, wollte ich am liebsten theatralisch am Boden sinken und einen Kreislaufkollaps vorspielen – natürlich passiert so was nie, wenn man es wirklich braucht. Er zerrte mich zu den ersten Geräten und wir „wärmten“ uns auf. Während ich die Lederrolle mit meinen Pudding-Beinen nach oben drückte, schaute mir E. konzentriert zu.

Nach der Aufwärmphase verlagerten wir unser „Training“ in den hinteren Teil des Fitnesscenters, um ein paar Übungen mit Gewichten zu probieren. Ich fühlte mich jedoch so, als ob ich auf dem Weg nach Mordor wäre, um Sauron meine Seele zu verkaufen. „Vielleicht gibt’s halt paar hübsche Typen zum Anschauen“, dachte ich mir während ich E., wie ein Küken nachlief, um nicht in den unglaublichen Weiten des Fitinns verloren zu gehen.

Dort angekommen, war es eher ernüchternd zu sehen, wie viele Typen vorm Spiegel standen und sich beim Gewichtheben bewunderten. Die Arroganz, der Schweiß und die Instagram-Likes, die in der Luft lagen, waren kaum zu ignorieren. E. zeigte mir ein paar Übungen und verschwand daraufhin ebenfalls kurz vor dem Spiegel. Im Augenwinkel konnte ich ihn endlich in seinem natürlichen Habitat beobachten und auf seinen Hintern starren. Dies beruhigte mich zumindest ein wenig.

Na oida, fix ned!

Als ich mich zum ersten Mal im Spiegel sehen konnte, verzog ich vor lauter Schreck das Gesicht und versuchte den perfekten Zeitpunkt für meinen Heulanfall zu berechnen. Als E. dann auch noch verlangte, dass ich mit einem Bein auf die Bank aufsteige, während meine Hände gleichzeitig Gewichte hielten und ich dazu noch mein zweites Bein in die Luft heben sollte, war es bei mir vorbei.

Meine kognitiven Fähigkeiten sind in Stresssituationen mehr als beschränkt – dies war definitiv so eine besagte Situation. Ich sah ihn an und sagte „Vergiss, i moch des fix ned!“ – besonders nicht vor allen anderen Leuten. Ich malte mir immer mehr unrealistische Szenarien aus und stellte mir vor wie die ganzen „Fitnesspros“ über mich tuschelten. In dem Moment kam ich mir vor wie bei Dick & Doof – nur, dass ich 3in1 war – dick, doof und potschad.

Seine Geduld neigte sich dem Ende zu und ich wollte einfach nur im Boden versinken. Zumindest an der Beinpresse konnte ich ihn „beeindrucken“ – ganze 40 Kilo habe ich da mit meinen X-Haxn gedrückt und das ohne gröbere Probleme. Als es jedoch dazu kam Lunges am Gang des Fitinns zu machen, wo mich absolut jeder sehen konnte – während ich wie ein Vollidiot meine lächerlichen 2 Kilo Gewichte hielt und zitterte – wollte ich einfach nur mehr nach Hause. Paar Augenverdreher später flehte ich meinen sporty Freund an, mich einfach an einem „Cardio-Gerät“ abzusetzen, bis er mit seinem Training fertig war.

Er entschied sich für den Stepper. E. stellte mir die Schwierigkeitsstufen ein und bescherte mir einen ernsten Blick:

„Ich geh jetzt mal mein Training machen. Du steppst 20 Minuten, volle 20 Minuten. Falls du auf die Idee kommen solltest früher aufzuhören, vergiss es – ich kann dich von meinem Trainingsbereich aus sehen.“

Ich wimmelte ihn mit einem „Ja, Ja“ ab und wartete, bis er endlich verschwunden war. Daraufhin stellte ich die Schwierigkeitsstufe von sechs auf zwei und fragte mich, ob er insgeheim geplant hatte, mich umzubringen.

Nein, Nein und nochmals Nein

Ich kippte mir einen „Energydrink“ aus der tollen Getränke-Bar in meinen Mund, den mir E. kurz zuvor geholt hatte und versuchte mich zu konzentrieren. Während der chemische Kirsche-Banane-Mix meine inneren Organe verklebte, starrte ich wie eine Verrückte auf die Anzeige. Es waren ganze zwei Minuten vergangen und ich schwitzte wie ein hormongeladener Teenie bei einem Justin-Bieber-Konzert in der ersten Reihe.

Nach zehn Minuten wurde mir so schlecht, dass ich von dem Gerät absteigen musste. Zumindest einen positiven Effekt hatte dieser Drink – er brachte mich fast zum Kotzen und ich hatte ’nen guten Grund, mein Training abzubrechen. Ich spionierte unauffällig in E.’s Trainingsbereich und huschte in die Umkleide – für mich war dieses Abenteuer definitiv vorbei.

Ich wartete am Ausgang und war mental schon unter der Bettdecke mit meiner Hand in der Chipspackung. Als E. auf mich zukam, lächelte er mich an: „Morgen geh‘ ma gleich noch mal!“ Berührt von diesem ultimativen Liebesbeweis und der Tatsache, dass er sich die gleiche Sache mit mir noch mal antun würde, verneinte ich. Meine Beziehung war mir dann schlussendlich doch zu wichtig, da wollte ich’s nicht darauf ankommen lassen.

Meinen Vertrag habe ich paar Tage später ohne Probleme gekündigt – ein Hoch auf das Online-Rücktrittsrecht! Ich glaube, das war das zweite und letzte Mal, dass ich mich in so ein Studio gequält habe. Im Endeffekt ist es einfach nichts für mich und macht mich absolut nicht glücklich. Mittlerweile habe ich durch das tolle Sportangebot der Uni Tanzen und Pilates für mich entdeckt. Ich schau zwar auch dabei aus wie ein heroinsüchtiger Pinguin, aber hab‘ zumindest tausendmal mehr Spaß.

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Veröffentlicht von nichtnochein0815blog

Hab im Kopf zu wenig Speicherplatz. Mein Surface hat mehr. Nein, ich hab kein Apple & blogge auch nicht im Starbucks.

Ein Kommentar zu “„Heasd Brate geh ma‘ Fitinn“: Ein Erlebnisbericht

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